
Ken Olson (Quelle: Digital Equipment Images)
Im Jahre 1998 wurde die Firma DEC (Digital Equipment Corporation) nach über 30-jährigem Bestehen von Compaq übernommen. Die Generationen, die nicht die Blütezeit DEC’s in den 60iger- und 70iger Jahren miterlebt haben (dazu zählt sich auch der Autor), werden – wenn der Name DEC vollkommen in Compaq (und Compaq in HP) aufgegangen ist – nicht mehr wissen, was DEC bereits vor Erscheinen der “Personal Computer” technologisch geleistet hat.
1957 gründeten Ken Olson und Harlan Anderson die Firma DEC (Digital Equipment Corporation) mit einem Grundkapital von 100,000 $. Beide hatten schon vorher an der Entwicklung der Computertypen TX-0 und der TX-2 mitgearbeitet und wollten nun eigene Computer produzieren. Als Fertigungsgebäude diente eine Halle in Maynard (Massachusetts), in der vorher Wolle hergestellt worden war. 1958 begann die Entwicklung der PDP-1 (Programmed Data Processor), einem 18-Bit Computer, unter Leitung des Hardware-Ingenieurs Ben Gurley. Bereits bei diesem ersten Rechner arbeitete DEC eng mit wissenschaftlichen Instituten und Universitäten zusammen. Diese Vorgehensweise sollte sich auch später nicht ändern. 1960 wurde der PDP fertigestellt und zum Sensationspreis von nur 120.000 $ verkauft. Zu dieser Zeit kosteten ähnlich leistungsfähige Rechner (z.B. von IBM) noch 1 Million $ und mehr, brauchten wesentlich mehr Platz als DEC’s PDP-1 und setzten – nicht zu vergessen – einen klimatisierten Raum voraus. Auf diese kostspielige Einrichtung konnte beim PDP-1 verzichtet werden. Insgesamt wurden immerhin 50 PDP-1 produziert.
Noch ein Wort in eigener Sache zur Bezeichnung “PDP”: es war vielleicht nur ein geschickter Marketing-Schachzug, aber die Bezeichnung “Computer” wollte DEC (bzw. deren Kapitalgeber “American Research and Development Corporation”) für seine Maschinen vermeiden. Das lag einfach daran, das sich die breite Masse Computer damals groß und teuer vorstellte. DEC Rechner waren aber nicht groß und vergleichsweise preiswert. Um also nicht mit den anderen (Computer-) Herstellern in einen Topf geschmissen zu werden, wurde der Begriff “Computer” ganz einfach aus DEC’s Wortschatz gestrichen. Auch in Fachzeitschriften sprach man zu dieser Zeit von “PDP’s”, wenn das Thema die DEC-Computerfamilie war.
Der PDP-2 (18-Bit System) kam über das Prototypenstadium nicht hinaus und vom PDP-3 (36-Bit System) wurde nur ein Exemplar direkt beim Käufer (US-AirForce ?) zusammengebaut. Eine Serienproduktion dieses Typs fand nicht statt. Erst 1963 kam der Nachfolger, die PDP-4, ebenfalls ein 18-Bit System, und der ging wieder in Serie. Er kostete nur 60.000 $. Als nächstes folgten der PDP-4 und der PDP-5, jeweils lediglich Vorstufen für zukünftige PDP’s.
1964 folgte die PDP-7, wieder ein 18-Bit System. Die meisten davon wurden zum Stückpreis von 120.000 $ an MIT ausgeliefert (ca. 36 Stück). Der PDP-7 wurde berühmt, weil 1969 Ken Thompson (AT&T Bell Labs) das Unix-Betriebssystem auf einer Maschinen dieses Typs entwickelte.

DEC PDP-8a
Eine schon fast kommerzielle Maschine folgte 1968 mit der PDP-8, was mit Sicherkeit mit dem Stückpreis von nur 18.000 $ zu tun hat. Die PDP-8 wurde aus der PDP-5 entwickelt, war ein einfach zu programmierendes 12-Bit System und benötigte weniger Platz als ein heutiger Server. DEC konnte über 50.000 Stück dieses Minicomputers an den Mann bringen, viele davon in wissenschaftlichen Instituten und Universitäten, auch in Europa. Der PDP-8 war der erste in dieser Größenordnung produzierte Computer in der IT-Geschichte überhaupt. In den Jahren von 1974 bis 1977 war er auch der Meistverkaufte, den Titel des Spitzenreiters verlor er erst mit Erscheinen des Apple II. Weitere Modellvarianten dieses Erfolgstyps wurden bis zum Jahr 1990 produziert: PDP-8/L, PDP-8/E, PDP-8/F u.a. sowie Modelle mit der Bezeichnung DECmate. Übrigens, auch der Begriff “Minicomputer” entstand erst mit der PDP-8.
Die 1966 produzierte PDP-9 war eine verbesserte PDP-7.
1967 folgte der Typ PDP-10, ein 36-Bit System. Er basierte auf dem PDP-6 (war auch weitgehend softwarekompatibel dazu) und wurde auch auch unter der Bezeichnung “DECsystem10” bekannt. Für diese Maschine gab es ein Betriebssystem mit der Bezeichnung “Tops10”. Ich erwähne das deshalb, weil dem späteren CP/M (von Gary Killdall für Personal Computer entwickelt) eine gewisse Verwandschaft zu Tops10 nachgesagt wird.
1970 folgte der wahrscheinlich am weitesten verbreitete und am universellsten verwendbare PDP, der 16-Bitter PDP-11. Dessen Entwicklung dauerte sehr lange, denn DEC benötigte ein vollkommen neues Ingenieursteam dafür. Doch der Erfolg war riesig und so erschien in den nachfolgenden Jahren eine große Modell-Anzahl. Das erfolgreichste Modell war der PDP-11/34 mit ca. 60.000 gebauten Einheiten. Bis 1990 kamen neue Modelle der PDP-11 auf den Markt. 1974 wurde übrigens das erste einsatzfähige Unix-System auf einem PDP-11 an der Universität von Berkeley installiert.
1977 brachte Konkurrent IBM die Modellreihe “Series 1”, einen 32-Bit Minicomputer auf den Markt. Aufgrund der 32-Bit Architektur konnte diese IBM-Maschine natürlich einen größeren Speicher adressieren. Darauf mußte DEC reagieren und tat es mit der VAX-Modellreihe, ebenfalls mit 32-Bit Architektur. Im Oktober des gleichen Jahres erschien die DEC VAX 11/780. Erst Februar 1978 wurde ein spezielles Betriebssystem für die VAX mit der Bezeichnung VMS fertiggestellt, obwohl dessen Entwicklung zeitgleich begonnen hatte. Bereits beim Design von VMS wurde auf Quellcode-Kompatibilität zu älteren OS geachtet, um bestehende Programme und Daten mit wenig Aufwand auf das neue System umsetzen zu können. VMS sollte sehr erfolgreich und bis spät in die 90iger Jahre kontinuierlich weiterentwickelt werden.

DEC PDP 11/10 oben, PDP 11/20 unten
1980 war DEC (zusammen mit Intel und Xerox) maßgeblich an der Entwicklung des Ethernet beteiligt. 1982 folgte eine weitere VAX, der Typ 11/730. Ebenfalls in diesem Jahr wollte auch DEC auf den IBM PC – Zug aufspringen und produzierte mit der Rainbow 100 (Basis Intel 8086) einen eigenen PC.
1983 war DEC die erste Firma, die sich im Internet präsentierte. Man stelle sich vor: im gleichen Jahr konnten sich Anwender bereits Software-Updates von der DEC-FTP-Seite herunterladen. 1984 folgten dann zum einen die VAX 11/785, eine absolute Power-Maschine und die “Persönliche” VAX: die VAXstation I, die für die Verwendung am Schreibtisch konzipiert war.
1985 erreichte dann mit dem Modell 11/83 auch der PDP einen leistungsmäßigen Höhepunkt. DEC produzierte inzwischen auch ganz normale IBM PC-Clones, die nicht gerade IBM-kompatible Rainbow 100 (und vor allem deren Folgemodelle) konnten nicht in dem von DEC gewünschten Maß am Markt durchgesetzt werden.
Mitte der 80er Jahre mehrten sich aber in Fachkreisen kritische Stimmen, die DEC zu einem Kurswechsel mahnten. Denn spätestens ab 1985 war absehbar, daß sich die Geschichte auf ironische Weise wiederholen würde: den VAX-Minicomputern stand ein ähnliches Schicksal bevor wie diese es ihren Vorgängern, den Mainframes, bereitet hatten. Längst war eine neue, noch kleinere und vor allem wesentlich kostengünstigere Computergattung auf dem Vormarsch: die Personal Computer. Doch Ken Olsen schlug, vom eigenen Erfolg geblendet, jahrelang alle Warnungen in den Wind, hochnäsig verlachte er Personal Computer als ,,Spielzeug”. Inzwischen nun bietet jeder Kaufhaus-PC für kaum zweitausend DM weitaus mehr Rechenleistung als eine VAX, für die man anfänglich rund eine Million Dollar hinblättern mußte.
Hinzu kam eine zweite, ähnlich folgenschwere Fehleinschätzung des sich wandelnden Markts: immer mehr Computerkäufer wurden es leid, sich von einem Hersteller abhängig zu machen. Genau dies war aber von Anfang an eine Strategie von IBM, DEC und anderen. Die vom Anwender benötigten Programme liefen nur auf den Rechnern des jeweiligen Herstellers, weil die Betriebssysteme proprietär (herstellerspezifisch) waren. Hatte auf diese Weise ein Hersteller einen Kunden erstmal am Angelhaken, konnte er ihn später bei Wartung, Aufrüstungen und sonstigen Folgegeschäften nach Belieben schröpfen. Das Geschäft mit proprietären Systemen lief über lange Zeit wie eine Lizenz zum Gelddrucken; IBM, DEC und andere schwammen in Milliardenprofiten, weil proprietäre Komponenten und Dienstleistungen mit ziemlich unverfrorenen Aufschlägen von oftmals mehreren hundert Prozent der abhängigen Kundschaft verkauft werden konnten (Quelle: Ulrich Klotz, Ausgaben September und Oktober der Zeitschrift Office Management).
1986, 1987 und 1989 folgten weitere Modelle der PDP-11-Reihe unter der Bezeichnung Micro-PDP-11. Ausserdem kamen neue Modelle der VAX-Reihe (MicroVAX II sowie die 8000er Modelle) und auch VAX-basierte Workstations (3000er Modelle).
Die letzten PDP-11 Modelle (MicroPDP 11/93 und /94) wurden 1990 auf den Markt gebracht. In den folgenden Jahren sollte jedoch die Konkurrenz von immer leistungsfähigeren IBM kompatiblen PC’s sowie im High-End Bereich durch aufstrebende Workstation-Herstellern wie SUN und SGI immer stärker werden.
Ab 1992 versucht DEC, einen neuen Weg – abweichend von der Intel-Gemeinde – zu gehen und entwickelt den Alpha-Prozessor. 1993 wurde dann mit großem Presserummel Microsofts Windows NT in einer Version für die Alpha-CPU veröffentlicht. DEC hatte als eine der ersten Firmen die Bedeutung des Internet erkannt und sich stark engagiert. DEC war nicht nur unter den ersten 500 Firmen, die 1993 bereits mit einer Homepage im Internet vertreten war, auch Produkte wie die erste Suchmaschine AltaVista kamen von DEC.