Werner von Siemens

Die Siemens AG, die 1966 aus einer am 1. Oktober 1847 in Berlin von Werner von Siemens und dem Mechaniker Johann Georg Halske gegründeten Telegrafenbauanstalt hervorging, ist Europas größter Elektro- und Elektronikkonzern. Das weltweite Firmenimperium umfasst mehr als 300 größere Tochter-, Beteiligungs-, assoziierte und verbundene Unternehmen. Dazu kommen weitere ca. 450 Firmen. Es würde den Rahmen dieser Website bei weitem sprengen, die Geschichte eines Weltkonzerns mit derart breiten Produktspektrum lückenlos niederzuschreiben. Daher beschränkt sich der Autor auf Entwicklungen, die in umittelbaren Zusammenhang mit der Computertechnik stehen.

Der Einstieg von Siemens in die Datenverarbeitung erfolgte 1954. Anstoß für die Aufnahme des neuen Betätigungsfeldes war wohl die Erkenntnis, dass die Nachrichtenverarbeitung (Datenverarbeitung) auch auf anderen Gebieten der Elektrotechnik Bedeutung erlangen werde. Weiterhin war man bereits seit Jahrzehnten in Bereichen der herkömmlichen Nachrichtenverarbeitung (z.B. Telefonie, Telegrafie) tätig. Es wurde eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich mit der Entwicklung von Grundbausteinen der Computertechnologie beschäftigen sollte und richtete auch eine Vertriebsstelle ein. Das Konzept für den zu entwickelnden Rechner enthielt folgende Vorgaben:
Das Rechnen sollte auf binärer Basis realisiert werden, als Schaltglieder waren Transistoren vorgegeben. Der Arbeitsspeicher sollte in Magnetkerntechnik mit einem zusätzlichen Trommelspeicher aufgebaut werden. Für die Ein-/Ausgabe standen dem Unternehmen aus dem Telegrafiegeschäft bereits Blattschreiber und Lochstreifengeräte zur Verfügung.

Schon 2 Jahre nach der grundsätzlichen Entscheidung für das neue Geschäftsfeld, also 1956, war ein Prototyp fertiggestellt und ging in den Testbetrieb. Nach erfolgreichem Abschluss der Tests wurde die Serienfertigung vorbereitet. Bald danach konnten die ersten Systeme mit der Typenbezeichnung SIEMENS 2002 ausgeliefert werden. Als erster Kunde gab die Deutsche Forschungsgemeinschaft gleich drei Systeme in Auftrag. Einer der ersten Anwender war die Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule in Aachen.

Siemens 2002, Volltransistorisierter Universalrechner, Das legendäre System SIEMENS 2002 war als Universalrechner für den kommerziellen und technisch-wissenschaftlichen Einsatz konzipiert. Die gesamten Schaltkreise waren im Bausteinprinzip aus steckbaren und mit Transistoren bestückten Baugruppen realisiert. Das System war damit der erste volltransistorisierte Universalrechner, der in Serie hergestellt worden ist. Gemäß Konzeptvorgabe wurde der Arbeitsspeicher in Magnetkerntechnik aufgebaut und in Größen von 2000 bis 10000 Worten (12 Dezimalziffern + Vorzeichen) angeboten. Als Erweiterung diente ein zusätzlicher Trommelspeicher mit 10000 Worten als “Zubringer-Speicher”. Die peripheren Geräte waren über 4 parallele Kanäle angeschlossen. Das Peripherieangebot umfasste Lochstreifengeräte, Blattschreiber, Lochkartengeräte, Magnetbänder und Schnelldrucker. Ein Teil dieser Peripherie war von Firmen wie IBM, Bull und Ampex zugekauft. Der Betrieb der Anlage wurde vom Betriebssystem ORG 2002 gesteuert. Zur Programmierung konnten die Sprachen PROSA 2002, MAGNUS 2002 und in eingeschränktem Umfang auch ALGOL verwendet werden.

Siemens 2002

Der Rechner SIEMENS 2002 ist bis Mitte 1966 gefertigt und verkauft worden. Im praktischen Einsatz waren die Systeme noch viele Jahre über diesen Zeitpunkt hinaus. So betrug im Herbst 1971 der installierte Bestand immerhin noch 39 Anlagen. Noch während der Fertigungsperiode der 2002 nahm Siemens Mitte 1964 die Produktion des zwischenzeitlich entwickelten Nachfolgemodells 3003 auf. Auch dieses System war ein Universalrechner, sowohl für kommerzielle Anwendungen, als auch für den technisch-wissenschaftlichen Einsatz.

Siemens 3003

Siemens 3003, Universalrechner, 1964, Siemens AGDie SIEMENS 3003 wurde ab Ende 1963 ausgeliefert. Dieses Modell war in transistorisierter Schaltkreistechnik aufgebaut. Kernspeichergrößen von 16k bis 65k Zeichen waren verfügbar, ein zusätzlicher Trommelspeicher nicht mehr vorgesehen. Als wesentliche Neuerung konnte die 3003 bis zu 9 Programme simultan bearbeiten. Die Anzahl der Ein-/Ausgabekanäle für den Datenaustausch mit der Peripherie war auf 16 erhöht worden. Bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Lochkartengeräte) konnte jetzt auch das Peripheriespektrum, welches nunmehr auch Magnetplatten umfasste, aus eigener Fertigung angeboten werden. Das überarbeitete Betriebssystem trug die Bezeichnung ORG 3003. Als Programmiersprachen konnten SAMOS, ALGOL, PROSA, COBOL und LPG verwendet werden. Bis August 1970 ist die 3003 produziert worden. 1971 waren noch 32 Anlagen im praktischen Einsatz installiert.

Etwa zu dem Zeitpunkt der Produktionsaufnahme der 3003 hatte die IBM ihre Rechnerfamilie System/360 vorgestellt und damit neue Standards gesetzt. Die gesamte DV-Branche geriet in Zugzwang, wenn sie im Wettbewerb noch mithalten wollte. Bei Siemens begann die Zeit der Kooperationen und Firmenübernahmen (Zuse KG, Telefunken Computer GmbH). Man hatte erkannt, dass ein Mithalten mit den amerikanischen Großfirmen, insbesondere der IBM, aus eigener Kraft nicht möglich war. Andererseits wollte man zumindest auf dem heimischen Markt Paroli bieten. Um kurzfristig technologisch aufrücken zu können, entschloss sich Siemens bereits gegen Ende 1964 zu einer Kooperation mit der amerikanischen Radio Corporation of Amerika (RCA). Diese war damals in erster Linie ein führendes Unternehmen der Radio- und Fernsehbranche. Die RCA hatte sich aber auch auf dem Gebiet der Datenverarbeitung betätigt und mit großem finanziellen Einsatz eine Familie von leistungsfähigen DV-Systemen entwickelt. Die Vereinbarung sah vor, dass Siemens die RCA-Rechner beziehen und in Deutschland unter eigenem Namen vertreiben konnte. Die Systeme sind unter der Bezeichnung SIEMENS 4004 vermarktet worden. Weiterhin wurde Siemens aber auch der Nachbau von RCA-Rechnern zugestanden. Daher wurden zügig eigene Fertigungskapazitäten aufgebaut. Dabei konnte man auf die Erfahrungen mit den Rechnern 2002 und 3003, aber insbesondere auch das Know-how von RCA zurückgreifen. Aus eigener Fertigung wurde z.B. ab Herbst 1968 der Rechner 4004/45 ausgeliefert. Die Arbeitsspeichergröße konnte von 32kB auf 512kB ausgebaut werden. Bis zu 14 unabhängige Programme waren im Simultanbetrieb ablauffähig. Die Programme konnten in den Sprachen Assembler, COBOL, ALGOL, FORTRAN und LPG entwickelt werden. Als Ein-/Ausgabegeräte verfügte man inzwischen auch über eine Anzahl von Produkten aus eigener Fertigung. Siemens entwickelte für die 4004-Systeme ein Plattenbetriebssystem (PBS). Dieses System, das auch die Grundlage für das spätere BS1000 darstellte, wurde ab 1968 einschließlich der laufenden Erweiterungen als Gegenleistung auch an die RCA geliefert.

Die Zusammenarbeit mit RCA war für Siemens von Beginn an sehr erfolgreich. Man war konkurrenzfähig geworden und konnte mit Rechnern abgestufter Leistungsfähigkeit in Bereichen akquirieren, die vorher mit den Systemen 2002 und 3003 verschlossen waren. Schon im ersten Jahr stieg der DV-bezogene Auftragseingang von vorher 30 Mio. DM auf 100 Mio. DM. Der Vertrieb wurde nach und nach auch erfolgreich auf das europäische Ausland (z.B. Holland, Belgien, Italien, Österreich und Schweden) ausgedehnt. Das wesentliche Ziel, mit dem neuen Geschäftszweig Gewinne zu erwirtschaften, konnte jedoch nicht erreicht werden. An diesem Mangel litt allerdings nahezu die gesamte DV-Branche, u.a. weil für die Entwicklung immense Summen aufgebracht werden mussten. Andererseits gab aber der Marktführer die Preise vor. Im Herbst 1971 zog die RCA angesichts steigender Verluste die Konsequenzen und gab das Geschäftsfeld Datenverarbeitung auf. Für Siemens wäre es damit auch naheliegend gewesen, sich ebenfalls aus dem DV-Geschäft, das inzwischen ein Umsatzvolumen von 1 Mrd. DM erreicht hatte, zurückzuziehen. Aus verschiedenen Gründen wurde dieser Schritt jedoch nicht vollzogen. So stand man z.B. bei rd. 60 Großkunden (Industrieunternehmen, Banken, Behörden), die mit DV-Systemen beliefert worden waren, im Wort. Weiterhin hatte der Bereich Datenverarbeitung inzwischen auch für andere Geschäftsfelder die erwartete Bedeutung erlangt und es war abzusehen, dass sich dieser Effekt noch verstärkt fortsetzen werde. Dies traf z.B. für die Prozesstechnik zu, für die ein eigenes spezielles Rechnersystem 300 entwickelt worden war, das erfolgreich vermarktet wurde. Auch für die Telefonvermittlungstechnik und viele andere Felder waren ebenfalls Synergieeffekte zu erwarten. Also führte Siemens den Geschäftsbereich eigenständig weiter. Aus dieser Zeit stammten z.B. die Rechner 4004/150 und 4004/151, die auch in einigen KDN-Rechenzentren eingesetzt worden sind. Diese Systeme waren durch eine deutliche Leistungssteigerung gekennzeichnet. Der Arbeitsspeicher konnte z.B. bis zu 2 MB ausgebaut werden. Große Anstrengungen wurden auch zur Fortentwicklung der Datenfernverarbeitung unternommen. Der erste TRANSDATA-Rechner mit dem Betriebssystem PDN stand 1974 zur Verfügung.

Doch bei guten Umsätzen wurden weiterhin rote Zahlen geschrieben. Die technische Weiterentwicklung verschlang 15-20% des Umsatzes und bei der Preisbildung setzte der Markt enge Grenzen. Mit diesem Problem hatten aber auch viele andere Computerunternehmen, vornehmlich im europäischen Raum, zu kämpfen. Anfang der 70er Jahre gründeten daher die französische Compagnie Internationale pour l’Informatique (CII), die holländische Philips und die Siemens AG die UNIDATA. Man definierte gemeinsam eine Systemfamilie von untereinander kompatiblen Rechnern mit einer breiten Leistungsskala von 60 bis 1.500 kOps. Sie sollte unter einheitlicher Bezeichnung vermarktet werden. Die Entwicklungsarbeit teilten die Unternehmen unter sich auf. Siemens erhielt z.B. die Entwicklung und Fabrikation der Systeme 7.730 und 7.750 im kleineren bis mittleren Leistungsbereich. Es zeigte sich aber bald, dass die Zusammenarbeit zwischen den Partnern nicht so reibungslos funktionierte, wie dies erhofft worden war. Eher war sie von gegenseitigem Misstrauen geprägt. Kompromisse waren an der Tagesordnung, was zu allseitiger Verärgerung führte. Es fehlte an der gebotenen Identifikation mit den vereinbarten Gemeinschaftsprojekten und mancher räumte seinen Eigenentwicklungen weiterhin Vorrang ein. Die Zusammenarbeit endete dann auch bevor sie Früchte tragen konnte, als auf Beschluss der französischen Regierung das gesamte inländische DV-Potenzial Frankreichs in der neu zu gründenden Gesellschaft CII-Honeywell-Bull konzentriert wurde. Die CII mußte also aus dem UNIDATA-Verbund ausscheiden. Damit war der Versuch, die Entwicklungskosten auf mehrere Schultern zu verteilen, gescheitert. Da Siemens das DV-Geschäft aber fortführen wollte, musste die in der UNIDATA-Zeit definierte Systemfamilie in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten entwickelt und produziert werden. Dies gelang aber in erstaunlich kurzer Zeit. Zum Angebot zählten bald auch die beiden großen Systeme 7.760 und 7.770, für die ursprünglich nach der UNIDATA-Vereinbarung die CII allein zuständig gewesen war.

Siemens PC-100 (Quelle: Georg-August-Universität Göttingen)

Ab 1973 begann Siemens mit der Produktion hochintegrierter LSI-Schaltkreise. 1979 steiegt Siemens in den Homecomputermarkt ein, wenn auch mit einem Lizenz-Produkt: in einem eigenen Gehäuse erscheint der PC-100, baugleich mit dem AIM-65.

1980 stellte Siemens seine ersten x86-CPUs Nachbauten vor: den SAB 8086 und den 8088. Ein Jahr später lief die Fertigung des 64-Kbit-Speicherchips an.

Siemens PC-D (Quelle: wikipedia)

Mit dem Modell PC-X stellte Siemens 1982 auch seinen ersten IBM-PC-Clone her, der optional mit 10MB Harddisk lieferbar war. Er war leistungsfähiger als der originale IBM-PC, da er auf der firmeneigenen 80186 CPU (16Bit Bus intern und extern) basierte, aber dafür nicht wirklich kompatibel dazu. Die verbaute Grafikkarte entsprach keinem gängigen Standards, auch nicht das 5,25″-Diskettenlaufwerk mit 720KB und das Tastatur-Layout. Darunter litt auch der Nachfolger PC-D, der ab 1984 den PC-X ablöste.

Kompatibler zum Industriestandard wurde Siemens auch mit dem PC-16 nicht, der in einem robusten Industriegehäuse verbaut war, welches aus der Simatic-Reihe stammte. Dieser erschien 1983, basierte zwar auf der 8088-CPU und war mit Festplatten mit 5 bzw. 10MB ausgestattet, konnte aber kein MS-DOS sondern nur CP/M 86 ausführen.

Erst als Siemens ab 1986 mit dem PC-D2 und dem PC-D3 PC’s auf Basis des 80286 auf den Markt brachte, erhöhte sich die Kompatiblität zum Original IBM-AT erheblich. Beide Modelle waren im gleichen eleganten Gehäuse wie der PC-D verbaut, konnten mit bis 1MB RAM und Festplatten mit 20- oder 40MB geliefert werden.

Die PC-Dx Reihe wird bis zum 80486 fortgeführt, wobei das x immer für die jeweils verbaute CPU-Generation steht, also 2 für 286, 3 für 386 u.s.w.

Ab 1988 ging Siemens mit 1-Mbit-DRAMs in Serienfertigung. 1990 erfolgt die Übernahme der Mehrheit der Stammaktien der Nixdorf Computer AG und Siemens-Nixdorf wird gegründet.

WIRD FORTGEFÜHRT…