Ist die Diskette tot?

Kommerziell sicher. Nur Liebhaber alter Computer aus den 80iger und 90iger Jahren pflegen ihre Diskettensammlung noch. Was aber nicht so bekannt ist: es gibt im Jahr 2021 noch jede Menge Industrieanlagen weltweit, die in Teilbereichen nur mit Diskettensystemen funktionieren. Aus technischen Gründen lassen sich die Computer, die diese Anlagen steuern, nicht so einfach austauschen. Industriemaschinen waren auf die Verwendung von 50 Jahren und mehr ausgelegt. Eine solche Investition wirft man nicht einfach weg, nur weil der steuernde Computer in die Jahre gekommen ist. Dem U.S.-Militär wird nachgesagt, das auch heute noch ausgesprochen sensible Einrichtungen auf Diskettensystemen basieren. Vielleicht ist das der Grund, warum es heute noch neue Disketten aller Bauarten zu kaufen gibt 😉 (www.flopppydisk.com)

Das Problem mit Disketten

Diskettenlaufwerk, Schreib-/Lesekopf (Quelle: https://enacademic.com)

Wurde das das bereits erwähnt? Disketten haben nur eine begrenzte Lebensdauer! Diese Aussage beruht auf der Erkenntnis, das einerseits der Schreib-/Lesekopf des Diskettenlaufwerks die Diskettenoberfläche berührt und daher ein mechanischer Abrieb erfolgt, andererseits im Laufe der Zeit die Magnetsierung der Diskette schwächer wird (durch den Erdmagnetismus, ähnlich wie bei einem Audio-Tonband oder -Kassette). Jedenfalls ist eine Diskette früher oder später nicht mehr lesbar und die darauf enthaltenen Daten sind verloren. Man rechnet bei einer Floppy Disk mit einer Haltbarkeit von 10 – 30 Jahren. Viele Faktoren können den Alterungsprozess jedoch stark beschleunigen: intensive Nutzung, Sonneneinstrahlung, mechanische Beschädigungen, Lagerung in der Nähe von magnetischen Geräten, starke Temperaturschwankungen und nicht zuletzt die Herstellungsqualität der Diskette. Was wir auch bestätigen können: die Gefahr von Datenverlust bei Disketten nimmt mit höherer Speicherdichte erheblich zu.

Die erste 8″ Diskette wurde von IBM im Jahre 1971 der Öffentlichkeit präsentiert. Alan Shugart stellte 1976 die handlichere 5,25″ Diskette sowie die passenden Laufwerke vor. Fünf Jahre erfand Sony das 3,5″ Diskettenformat, das wir auch heute noch “hier und da” antreffen. Disketten als Speichermedium waren also in den Jahren von 1975 bis 1990 stark verbreitet. Erst als die Festplatten immer preiswerter wurden und gleichzeitig die Datenmengen zunahmen, verlor die Diskette an Bedeutung. Als Installationsmedium – zumindest für kleinere Programme – blieb die Diskette sogar bis ca. 1995 in Benutzung. Danach war auch hier der Wechsel von Diskette zur CD-ROM vollzogen. Es geht also um ca. 25 Jahre, in denen die Floppy Disks als Datenträger eine Rolle spielten. Gleichzeitig waren dies aber auch die intensivsten Jahre der Computerrevolution. Wenn die Disketten aus dieser Zeit in absehbarer Zukunft endgültig nicht mehr lesbar sind, dann verlieren wir die Anfänge der kommerziellen Software-Entwicklung, zumindest die originalen Datenträger, auf denen sie ausgeliefert wurde. Darunter fallen die Anfänge der Desktop-Betriebssysteme, der Textverarbeitung, der Tabellenkalkulation, die Einführung der GUI’s und nicht zuletzt die der Computerspiele. Was kann man also tun? Wie bereits erwähnt tüfteln mittlerweile einige namhafte Institutionen an der Lösung dieses Problems, ohne bisher eine allumfassende Lösung anbieten zu können. Ohne Berücksichtigung dessen, das die Software der vorgenannten Zeitspanne zur Lauffähigkeit aus musealen Gesichtspunkten auch eine zeitgenössische Hardware benötigt, müssen unserer Meinung nach zunächst die Datenträger der originalen Programme gerettet werden.

Disketten archivieren – wozu?

Ohne Software ist ein historischer Computer ein “totes” Relikt vergangener Zeiten. Ein Haufen Blech oder Kunststoff mit nutzlosen Schaltkreisen darin. Folglich würde es auch nicht wirklich Sinn machen, z.B. einen IBM PC 5150 aus dem Jahre 1981 technisch am Leben erhalten. Der Sinn ergibt sich erst, wenn mit der zugehörigen Software ebenso verfahren wird wie mit dem als Beispiel genannten IBM PC. Funktionsfähige Hardware ist ohne passende Software weder demonstrationsfähig noch von seinem Zweck her vollständig darstellbar. Natürlich gilt das so für alle Computer unseres Bestandes.

Wie kam es zu diesem Archivierungs-Projekt? Wir entdeckten ungefähr im Jahr 2000 einige originale, noch in Folie verschweißte und somit unbenutzte Disketten aus dem Jahr 1981, die trotz aller Bemühungen nicht mehr lesbar waren. Wie kann das sein, was war da passiert? Das war der Startschuß und führte zu vorgenannten Überlegungen.

Disketten archivieren – wie?

Anfang der 2000er Jahre gab es allerdings noch keine Software-Preservation-Projekte wie z.b. softpress.org und moderne Hardware (kryoflux, Supercard pro, DiskFerret). Daher begannen wir, die Diskettenimages mit teledisk 2.16 (Sydex) und zu einem kleinen Teil (vor allem CP/M) mit imagedisk 1.18 (Dunfield) zu ziehen. Kopiergeschützte Disketten wurden mit einem “Option Board” der Firma “Central Point” kopiert und auch als Image gesichert (dazu mehr in Archivierungs-PC-Aufbau). Da der zu bearbeitende Umfang in der CP/M- und MS-DOS-Welt schon riesig ist, konnten wir uns bisher nicht um die Archivierung der Software für Homecomputer und Apple kümmern. Allerdings existieren gerade im Bereich Homecomputer – und dort vor allem für die Computerspiele – bereits riesige Archive.

Zu Projekten wie der “Software Preservation Society” ein paar Sätze: in einschlägigen Foren wird kontrovers diskutiert, was überhaupt eine 100%ige Kopie eines absolut fehlerfreien und möglichst unbenutzten Originals ist, und das teilweise auf philosophischem Niveau. Wir vom Vintage Computing Lab (VCL) bezweifeln nicht, daß in dieser Vereinigung Fachleute sitzen, die wissen, über was sie da reden. Deren Erkenntnisse zur Herangehensweise an das Thema der Software-Archivierung beeinflussen natürlich auch uns. Aber zur damaligen Zeit erschien es uns einfach wichtig, schnellstmöglich mit der Archivierung zu beginnen, um unsere originalen Disketten zu retten. Daher griffen wir auf die Werkzeuge zurück, die zu dieser Zeit verfügbar waren, die gute Referenzen und einen möglichst geringen Hardwareanspruch hatten.