Mit Erscheinen des Intel Pentium im Jahr 1993 war klar, das jeder namhafte Computerhersteller sich beeilte entsprechende Rechnermodelle zu entwerfen. Mit einer durchgehenden 32-Bit Architektur (später 64-Bit) und seiner Skalierbarkeit erwartete man sich durch die neue CPU hohe Gewinne. Die Bezeichnung Pentium wurde von Intel eingeführt, weil dieser Begriff sich als Bezeichnung besser schützen ließ als eine reine Zahlenfolge. Die ersten Modelle mit 60 bzw. 66 MHz waren allerdings kein großer Erfolg, da der Intel 486 teilweise mit höheren Taktfrequenzen (DX2 66 MHz bzw DX4 mit 100 MHz) aufwarten konnte und vom Preis her viel günstiger verfügbar war. Aufgrund der 1993 noch sehr verbreiteten 16-Bit Betriebssysteme bzw. GUI’s konnte sich der Pentium von der reinen Performance auch noch keinen Vorteil sichern. Erst mit Windows 95/98 ab 1995 bzw. mit der zunehmenden Platzierung von Windows NT im Mainstream konnte sich die neue CPU auf breiter Front durchsetzen.

Der uns als Spende übergebene Compaq Deskpro XL 560 kam 1994 auf den Markt, als eines der ersten Modelle mit der neuen Pentium-CPU für den Massenmarkt. Der verbaute Pentium mit 60MHz ist die schwächste Leistungsstufe dieser CPU-Modellreihe, die bis 300MHz reichte und 1997 vom Pentium II abgelöst wurde. Aufgrund der Konzeption mit separatem Prozessorboard (das auch das RAM enthält) war der XL in mehreren Leistungsstufen erhältlich: mit Intel 486DX2/50 und 486DX2/66, mit Intel Pentium 60MHz und 66MHz, später auch mit 90MHz. Allen Modellen gemeinsam ist das Gehäuse mit Netzteil sowie drei Laufwerkseinschüben, einer eigenen Halterung für die Festplatte, einer Backplane mit EISA- und PCI-Steckplätzen sowie dem speziellen CPU-Karten Steckplatz. Letzteren bezeichnet Compaq als Tri-Flex Architecture. Allerdings ist die Backplane nicht klassisch passiv, denn Module für IDE, Audio, SCSI und Ethernet sind darauf integriert. Das kann man auch weiter unten im Datenblatt Compaq Deskpro XL Backplane Jumper erkennen. Interessant zu wissen wäre, warum in einem Rechner von 1994 noch ein 5,25″ Diskettenlaufwerk verbaut wurde, anstatt eines CD-ROM’s. Allgemein werden folgende Spezifikationen angegeben:

  • Hauptspeicher: Pentium mit 8 oder 16 MiB RAM (max. 136 oder 144 MiB), 486 mit 8 MiB RAM (max. 128 MiB)
  • Steckplätze: 3 x 32-bit EISA, 1 x gemeinsamer EISA/PCI, 1 x PCI
  • Grafik: QVision 1280 (alias Matrox Atlas) oder QVision 2000
  • Laufwerke: 3,5″ Diskettenlaufwerk, Festplatten IDE 170 MiB bis 525 MiB, SCSI 1 GiB bis 4.3 GiB
  • Schnittstellen: Parallel, Serial, AUI (ENET), SCSI-2, PCI Netzwerk Controller

Leider durfte uns der Compaq nicht einfach so übergeben werden. Nachdem die firmeneigene IT Abteilung den Rechner gesichtet hatte, sollte vorher die Festplatte ausgebaut und aus Datenschutzgründen zerstört werden. Auf unser Argument, das auch funktionsfähige IDE-Festplatten mit niedriger Kapazität mittlerweile Raritäten sind, wurde sie lediglich mehrfach gelöscht. Diesbezüglich machten wir uns also keine Sorgen einen Ersatz suchen zu müssen. Aber dann aber stellten wir ein paar (proprietäre) Eigenheiten des Deskpro XL fest. Eigentlich hätte uns klar sein müssen, das sich Compaq auch bei dieser Rechnerfamilie durch spezielle Features Vorteile gegenüber der Konkurrenz verschaffen wollte, wie es schon bei Vorgängermodellen üblich war. Alleine der EISA-Bus mit seinen Eigenheiten (Beschaffung der Treiber) hätte gereicht, die Neueinrichtung des Rechners zeitaufwändig zu machen. Aber Compaq mußte bzgl. der Festplatteninstallation noch was drauflegen. Dazu weiter unten mehr. Der Nachbar konnte auf unsere Nachfrage hin keine zugehörigen Disketten mehr finden, auch kein Handbuch und keine Tastatur. Gott sei Dank unterhält Hewlett Packard (übernahm Compaq 2002) noch eine FTP-Seite (ftp.hp.com/pub/softpaq), die fast alle sogenannten Softpaq‘s (Treiber, Diagnose, Setup etc) bereithält. Das Zusammensuchen der passenden Images für den XL braucht aber Zeit…

Wie kriegen wir den Rechner wieder möglichst original eingerichtet? Man benötigt einen speziellen Diskettensatz in Form des Softpaq’s sp19619. Das Image beinhaltet vier Disketten, die Erste ist bootfähig und startet das System Konfiguration Utility 2.58. Leider ist aber die Pufferbatterie (3V) leer. Das muß zuerst in Ordnung gebracht werden, sonst muß das Setup nach jedem Ausschalten erneut ausgeführt werden. Man erwartet eigentlich einen Knopfzellenhalter mit leicht austauschbarer Batterie. Aber Compaq hat sich für den Blödsinn entschieden, diese direkt auf die Backplane zu löten.

Offensichtlich war in dem Compaq schon mal eine externe Batterie verbaut, denn der Jumper E2 steht auf 2-3 “Replacement Battery” (siehe letztes Bild oben). Für die interne Batterie muß dieser auf 1-2 geändert werden. Siehe dazu unten das Datenblatt Compaq Deskpro XL Backplane Jumper.

Compaq Deskpro XL Family

Compaq Deskpro XL Backplane Jumper

Compaq Quick Troubleshooting Guide

Um Fortzufahren braucht man jetzt die vier Setup-Disketten. Diese werden mittels des Softpaq’s sp19619 erzeugt. Nach dem Starten erstellt das Programm nacheinander die benötigten Disketten.

Nach dem Booten von Diskette 1 startet das System Konfiguration Utility 2.58 und legt eine (unsichtbare) System Partition an. Danach kopiert es sämtliche Setup Dateien sowie eine Menge EISA-Konfigurationsdateien dorthin.

Das System Konfiguration Utility 2.58 kann danach jederzeit von dieser Partition gestartet werden, indem beim Booten des Rechners F10 gedrückt wird, wenn rechts oben am Bildschirm der Blockcursor angezeigt wird. Die Disketten werden dafür nicht mehr benötigt. Aufgrund der neuen Batterie sollte das jetzt ein paar Jahre nicht mehr notwendig sein. Der Deskpro XL wäre jetzt aber leicht konfigurierbar, wenn neue Komponenten eingebaut werden.

DOS 6.22 sowie Windows for Workgroups 3.11 soll eingerichtet werden. Beides war verfügbar 1994, Windows 95 kam erst im Jahr danach. Unser Deskpro XL ist mit 40MiB RAM ausgestattet, davon 8MiB standardmäßig auf der CPU-Karte sowie zwei zusätzlich installierte 16MiB SIMM’s.

Das System Configuration Utility bietet eine Auswahl der Betriebsysteme an.

Damit die 40MiB RAM erkannt werden, muß bei Himem.sys die Option /EISA gesetzt sein, sonst bleibt es bei 16MiB.

Nach der Installation können einige DOS-Programme sowie WfW 3.11 installiert werden. Als Windows-Treiber für die QVision-Grafikkarte haben wir das Softpaq sp1195 verwendet.

Leider haben wir nicht die originale Tastatur, dafür einen schönen 17″ CRT-Monitor von Compaq. Aber auch so macht der Deskpro XL was her.

Compaq Deskpro XL 560 mit 17″ Monitor, Tastatur und Maus